Kulturkreis Haunstetten e.V.

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In Siebenbrunn, der ehemaligen Meringerau weideten jahrhundertelang die Schlachtochsen der Reichsstadt Augsburg

Mit dem Anwachsen der Bevölkerung im Spätmittelalter wurde die Lebensmittelversorgung - auch in der Reichsstadt Augsburg - ein immer größer werdendes Problem.

Aus diesem Grund musste Augsburg seit der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts immer mehr Ochsen, vor allem aus Ungarn einführen.

Zwischen 1350 und Ende des 18.Jahrhunderts wurden jedes Jahr bis zu 200.000 Ochsen aus der ungarischen Tiefebene nach Süddeutschland getrieben, um die Fleischnachfrage der Bürger in den Städten befriedigen zu können. Ein wichtiges Ziele war Augsburg, eine der damals bedeutendsten Handelsstädte Europas.

Die Ochsen, die aus der ungarischen Tiefebene, zum Teil auch aus Transsylvanien stammten, waren bis zu 1.000 Kilometer und mehrere Wochen unterwegs, bis sie ans Ziel gelangten. Ochsenherden bestanden meist aus 60 bis 200 Tieren. Hauptumschlagsplatz für Ochsen aus Ungarn war Wien. Die Triebwege nach Süddeutschland verliefen an der Donau entlang nach Schärding. Von dort aus führten die Wege in unterschiedlichen Route. Nach Augsburg führten zwei Wege: einer über das Dachauer Land, ein zweiter über das Schrobenhausener Land.
Das Ochsenfleisch war in dieser Zeit durch den massenhaften Import günstiger als Getreide. Überdies war der Ochsenhandel nicht so starken Risiken ausgesetzt wie die Getreideproduktion. Missernten ließen die Preise für Korn oft in die Höhe schnellen und auch die Transportkosten trugen zum hohen Preisniveau des Getreides bei. Das Vieh musste indes nicht verladen werden, es brachte sich selbst zum Zielort. Die Qualität des ausländischen Fleisches war zudem besser als die des heimischen Viehs, denn dieses wurde in der Regel zur landwirtschaftlichen Arbeit oder als Zugtier benutzt. Das importierte graue Steppenrind wies einen höheren Fettanteil und ein höheres
Gewicht . Die entscheidende Eigenschaft des ungarischen Rindes war aber, dass es nach dem langen Weg immer noch ein höheres Schlachtgewicht als die einheimischen Tiere aufwies. Zudem konnten die ungarischen Ochsen schnell auf den Mastflächen ihr Ursprungsgewicht wieder erreichen. Die Gewinnspannen waren sehr hoch, viele Augsburg Metzger kamen durch den Ochsenhandel zu großem Wohlstand, so die Familie Burkhard.

Da die Reichsstadt Augsburg keine Weideflächen für die Ochsen in ihren Stadtmauern besaß, mussten die Metzger für die Flächen in der südlich gelegenen Meringer Au, die den Wittelsbachern gehörte und also "Ausland" war, einen Vertrag abschließen und Pacht bezahlen. Mit dem Vertrag von 1569 schuf das Augsburger Metzgerhandwerk eine Grundlage für die durchgehende Nutzung der Meringer Au in den folgenden Jahrhunderten. Als Obergrenze der dort gleichzeitige weidenden Ochsen wurden zuerst 500, später 700 Ochsen festgelegt. Zwei städtische Aumeister waren Ansprechpartner für alle Angelegenheiten der Ochsenmast. Überdies mussten die Metzger einen Hirten aus Mering einstellen. Da das rauer gewordene Klima eine durchgehende Weidehaltung verbot, gab es in der Meringer Au große Ochsenställe. Das nötige Winterfutter zu beschaffen, war für die Metzger aber nicht immer einfach.

Elias Holl erbaute 1606-1609 die heutige Stadtmetzg am unteren Perlachberg; 127 Metzgerbänke (Art Verkaufstheken) gab es in der großen Erdgeschosshalle. Geschlachtet wurde aber in der Stadtmetzg nicht, sondern in offenen Schlachthütten (Eine lag z.B. beim Kloster Maria Stern, eine andere beim Dominikanerkloster.)

Der Ochsen- bzw. Rindermarkt lag anfangs mitten in der Stadt, in der heutigen Philippine-Welser-Straße. 1488 erwarben die Fugger dort ein Haus am Rindermarkt, in dem sich auch ihre "Goldene Schreibstube" befand. Über dem Portal sieht man noch heute das Fuggersche Lilienwappen.

Ab Mitte des 15.Jahrhundert verlegte man den Markt in die Jakobervorstadt, in die breite Jakoberstraße.

Kaum etwas zeugt heute in Siebenbrunn von der jahrhundertelangen Mast der ungarischen Ochsen, nur der Ochsenbach und der Ochsenbachweg.

Wenn Sie aber einen leibhaftigen ungarischen Ochsen erleben möchten, müssen Sie nach Landshut in die Ochsenau fahren. Seit 2019 weiden dort wieder diese ganz besonderen Tiere.

Jutta Goßner